Als er sich eine heiße Schokolade und ein Stück Kuchen bestellte, fragte
ich auch nach einem Stück Kuchen und einem Kakao. Heiße Schokolade
hatte mir nie so geschmeckt, mir war die Stärke der Geschmacksstoffe in
einer heißen Schokolade zu schwach. Zwar hatte man mir mal erklärt, dass
eine heiße Schokolade aus viel mehr Schokolade bestand, ich hatte davon
aber nie etwas gemerkt und war sowieso seit je her eher ein Freund von
Kakao. Besonders, wenn er warm war und Marshmallows drin waren, die
langsam durch die Wärme schmolzen. Oder warmer Kakao mit Sahne. Das
waren alles so Dinge, die mir den Alltag versüßten. Ich nahm den Teller
mit dem Kuchen und die Tasse Kakao und freute mich schon jetzt auf den
Geschmack.
Das Stück, aus einer Schokoladencremetorte geschnitten,
hatte jene unglaublich starke braune Farbe, die ich an Schokolade so
mochte. Der Geruch war intensiv, das Stück sah sehr frisch und
selbstgemacht aus. Ich nahm meine kleine Gabel, piekste sie in die Torte
rein und steckte mir die Gabel mitsamt Inhalt drauf in den Mund. So wie
die Torte gerochen hatte, so schmeckte sie auch. Nein. Sie schmeckte
besser. Ein leichter Schuss Alkohol, wahrscheinlich ein Likör, wie er
oft für besondere Torten benutzt wird, rundete die verschiedenen Aromen
der Schokoladentorte ab und war zum Glück nicht ganz so stark, sodass
ich davon nicht angewidert war. Während ich mein Stück langsam aß,
schaute ich Noah zu.
Als er sprach, hörte ich ihm genau zu, nahm verschiedene Einzelheiten seiner Mimik und Gestik wahr, die ich vorher nicht bemerkt hatte. Es waren keine großen Sachen, aber gerade diese Schlichtheit in seiner sein Reden begleitenden Haltung gefiel mir sehr.
Er war also schon fünf Jahre hier. Das war eine beachtliche Zeit, die ich wohl kaum ausgehalten hätte. Ich war nie so der standhafte, etwas eine längere Zeit überstehende Mensch gewesen. Da waren er und ich uns wohl sehr unterschiedlich. Aber es gefiel mir zu wissen, dass er lange bei sowas wie einer Schule durchhielt. Das taten sicherlich nicht die Meisten.
Kurz entsinnte ich mich, dachte über die Zeit hier nach und dabei auch an Mina, Samiya, die ich am Tag zuvor erst kennengelernt hatte. Ich überlegte genau, was ich sagen sollte, blieb dann aber doch nicht bei dem zusammengelegten Text und antwortete ihm: »Na ja, ich habe mich lange gewehrt, auf diese Schule zu gehen. Ich war in meiner Schule gut und ich hatte, wo ich in einem guten Haus aufgewachsen bin, weil mein Adoptivvater gut verdiente, die beste Hilfe zu der Zeit. Es hielt mich auch mein damaliger Freund bei mir. Irgendwann aber war es so, dass er mich nicht aufhalten wollte, weswegen ich vor kurzem, etwa zwei Monaten oder so, direkt in die Klasse A kam. Also etwa zwei Monate.«
Ich reflektierte das Gesagte und war mir irgendwie sehr unsicher, ob das, was ich gesagt hatte, auch wirklich richtig war. Hätte ich das mit dem Ex weglassen sollen? Es ist sicherlich nicht das Beste gewesen, tadelte ich mich indirekt und fuhr sofort fort, um das Gesagte ein bisschen nach hinten zu drängen: »Aber ja, mir gefällt es hier. Das Gelände ist sehr schön, die Schüler sind generell nett und die Lehrer auch. Und es gibt hier und da so manchen schönen Blickfang.«
Nicht ganz so sicher, ob das Thema schon weit genug nach hinten gedrückt worden war, fragte ich ihn dann auch noch, obwohl ich so etwas sonst wohl kaum fragen würde, wo ich ihn eigentlich privat kennenlernen wollte und nicht nur über seine Schulwelt: »Was ist so dein Lieblingsfach? Hast du auch ein Haustier hier?«
Wie gesagt, war es nicht so wirklich das, was ich sonst gefragt hätte, aber es war einfach jetzt so. Wir hatten noch Zeit und irgendwie mussten wir ja auch erst einmal ein wenig voneinander wissen. Gleich konnte ich ja auch noch andere Dinge fragen. Hoffte ich jedenfalls.